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Montag 4. April 2022

Integration im ersten Arbeitsmarkt: Wie funktioniert sie?

Menschen mit Beeinträchtigungen leisten in vielen aufgeschlossenen Betrieben wertvolle Arbeit. So zum Beispiel bei Embru, einem führenden Schweizer Anbieter von Qualitätsmöbeln mit Sitz in Rüti. Was es braucht, damit durch die Integration eine echte Win-win-Situation entsteht, und mit welchen Stolpersteinen zu rechnen ist, das berichten die Beteiligten aus ihrer jeweiligen Perspektive.

Das Fazit vorweg: Wie alle Arbeitnehmenden im ersten Arbeitsmarkt haben auch Menschen mit Beeinträchtigungen individuelle Stärken, Schwächen, Lern- und Leistungskurven – deshalb sind explizite Abmachungen und regelmässige Austauschgespräche für eine erfolgreiche Integration zentral. Die Stiftung Züriwerk berät alle Beteiligten und moderiert den Entwicklungsprozess mit dem Ziel, eine für beide Seiten gewinnbringende, langfristige Arbeitsbeziehung zu schaffen und zu erhalten.

Zwei grundsätzliche Modelle stehen dafür zur Verfügung – Embru nutzt sie beide: Unternehmen können dauerhaft in ihren Betrieb integrierte Arbeitsplätze schaffen, oder sie holen Züriwerk-Mitarbeitende für betriebliche Einsätze zu sich ins Haus. In beiden Fällen stehen Fachleute von Züriwerk bei der Rekrutierung, bei der Vertragserstellung und während der ganzen Arbeitsbeziehung beratend zur Seite. Den Unternehmen entstehen dabei keine externen Kosten.

Hansueli Meister
Leiter Integrationsförderung Montage bei Embru-Werke AG

Prägt Embru seit 32 Jahren mit. Nebst seinem Wissen und Können bringt er als fachlicher Leiter und Ansprechperson der Integrationsabteilung seine ausgeprägte soziale Kompetenz ein.

«Jeder Tag ist eine Herausforderung, aber auch etwas Dankbares: Es kommt viel zurück!»

 

Rossano Artemisio
Abteilungsleiter Produktion bei Stiftung Züriwerk

Der gelernte Fotolithograf arbeitete lange in der Druckbranche, bis er seinen Fokus auf das Zwischenmenschliche verlagerte. Er begleitet Züriwerk-Mitarbeitende, die externe Einsätze bei Embru leisten.

«Mich freut es am meisten, wenn ich zufriedene Mitarbeitende bei der Arbeit erlebe.»

 

Julia Roth
Job Coach bei Stiftung Züriwerk

Stiess 2014 kurz nach ihrem Studium zur Stiftung Züriwerk und begleitet Erwachsene mit einer IV-Rente bei ihrer beruflichen Integration.

«Job-Coaching ist sehr zielgerichtet. Man erlebt regelmässig Erfolge, zum Beispiel wenn ein Klient oder eine Klientin eine passende Stelle findet.» 

 

Srecko Andjelkovic
Mitarbeitender Züriwerk mit externem Einsatz bei Embru

 

Alles über die Mitarbeiter-Perspektive erfahren Sie auf der Magazin-Seite «Mein Job im ersten Arbeitsmarkt».

Interview über die Erfahrungen im ersten Arbeitsmarkt

 

Welche Betriebe können Mitarbeitende mit Beeinträchtigungen beschäftigen?

Julia Roth, Job Coach Züriwerk
Grundsätzlich: Jeder Betrieb! Voraussetzung ist die Bereitschaft, sich mit den spezifischen Voraussetzungen für die Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen auseinanderzusetzen und geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.

Hansueli Meister, Leiter Integrationsförderung Embru
Embru ist ein menschenfreundlicher, familiärer Betrieb und wir leben eine grosse gegenseitige Hilfsbereitschaft. Wir sehen es als Bereicherung, Mitarbeitende zu unterstützen, die es in der Arbeitswelt schwer haben. Es braucht diese Grundhaltung und die Möglichkeit, passende, geschützte Arbeitsplätze zu schaffen. Für ein gutes Gelingen muss Zeit investiert werden, am Anfang, aber auch dauerhaft. Zeitdruck ist nicht gut für Mitarbeitende mit Beeinträchtigungen. Und es braucht ein Umfeld mit Verständnis, Feingefühl und Mitgefühl für die Mitarbeitenden mit Beeinträchtigungen.

Den Weg zur Integration kann man auch in kleinen Schritten gehen. Und schlussendlich kommen die Investitionen zurück: Unser soziales Verhalten zeichnet Embru aus, was auch bei unserer Kundschaft und unseren Partnern sehr gut ankommt.

Rossano Artemisio, Abteilungsleiter Produktion Züriwerk
Wichtig ist, dass die ganze Unternehmung hinter dem Vorhaben steht. Es braucht ein kollegiales Team, welches das Vorhaben mitträgt – damit die Menschen mit Beeinträchtigung ebenbürtig behandelt und respektiert werden.

 

Rekrutierung: Wie kommt es zum perfect match?

Julia Roth, Job Coach Züriwerk
Für Unternehmen wie auch für Stellensuchende mit IV-Verfügung ist die Fachstelle «Berufliche Integration» bei Züriwerk eine gute Anlaufstelle. Seit über 15 Jahren begleiten und beraten wir beide Seiten.

Mit Stellensuchenden klären wir zunächst die Stärken und Wünsche und erstellen ein Tätigkeitsprofil. Dabei ist es wichtig, dass die Tätigkeiten auch einen konkreten Bedarf im ersten Arbeitsmarkt abdecken. Arbeitsintegration ist dann erfolgreich, wenn beide Seiten einen echten Nutzen aus der Zusammenarbeit ziehen. Deshalb gehen wir hier sehr gründlich vor.

Mit den Partnerfirmen wird im ersten Schritt der Bedarf geklärt, das Anstellungsmodell diskutiert und ein Rekrutierungsprofil formuliert. Aufgrund unseres grossen Klienten-Pools gelingt es uns fast immer, passende Bewerberinnen oder Bewerber vorzuschlagen.

Rossano Artemisio, Abteilungsleiter Produktion Züriwerk
Auf Unternehmensseite muss ein passender Arbeitsplatz definiert werden. In der Montage zum Beispiel braucht es ein Produkt, das Mitarbeitende selbstständig bearbeiten und montieren können. Nicht jedes Produkt ist geeignet. Bei Embru zum Beispiel wird unter anderem der Stuhl-Klassiker «Altorfer» bespannt.

 

Anstellungsmodell: Integrierter Arbeitsplatz oder betrieblicher Einsatz?

Rossano Artemisio, Abteilungsleiter Produktion Züriwerk
Einerseits bietet sich Unternehmen die Möglichkeit betrieblicher Einsätze von Züriwerk-Mitarbeitenden. Dabei stellt die Stiftung Züriwerk interessierten Unternehmen Mitarbeitende zur Verfügung, die durch unsere agogischen Fachpersonen rekrutiert und betreut werden. Der Arbeitseinsatz wird in einer Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und Züriwerk definiert. Die Mitarbeitenden bleiben Angestellte von Züriwerk zu den vertraglich vereinbarten Bedingungen wie Arbeitszeiten, Pausen, Ferien und Versicherungen.

Julia Roth, Job Coach Züriwerk
Eine andere Möglichkeit ist eine Anstellung via integrierte Arbeitsplätze. Die Mitarbeitenden sind in diesem Modell auch über die Stiftung Züriwerk angestellt, wir richten uns jedoch betreffend Arbeitszeiten und Ferien nach den Gepflogenheiten des Partnerbetriebs. So lernen unsere Mitarbeitenden die realen Bedingungen des ersten Arbeitsmarktes kennen. Auch hier stehen wir beratend und begleitend zur Verfügung. Diese Leistungen verursachen dem Unternehmen übrigens keine Kosten.

Was sowohl Mitarbeitenden wie auch Partnerunternehmen Sicherheit gibt, ist das grosse Netzwerk und das interne Stellenangebot von Züriwerk. Wenn eine Zusammenarbeit einmal nicht optimal klappt und es zu einer Kündigung kommt, gibt es Alternativen.

 

Welche Beratung leisten die Züriwerk-Fachpersonen?

Hansueli Meister, Leiter Integrationsförderung Embru
Wir erhalten jederzeit Unterstützung. Einerseits gibt es einen regelmässigen Austausch, andererseits findet bei aktuellen Anliegen und Problemen, etwa Krankheit oder Sorgen der Mitarbeitenden, eine professionelle Kommunikation statt. Oft geschieht das in Gesprächen und Sitzungen. Dabei schätze ich die gegenseitige Offenheit besonders. Die gemeinsame Lösungsfindung ist auf verschiedene Fachpersonen abgestützt.

Julia Roth, Job Coach Züriwerk
Die Zusammenarbeit mit den Partnerbetrieben gestaltet sich sehr individuell, von punktuell bis intensiv. In der Anfangsphase eines Arbeitsverhältnisses besteht oft ein erhöhter Betreuungsaufwand.

Gespräche mit den Mitarbeitenden finden nach Bedarf statt. Dabei geht es um die Themen: Wie läuft es bei der Arbeit? Wie ist die Befindlichkeit? Wie ist die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden und Vorgesetzten? Manchmal gibt es Fragen aus anderen Lebensbereichen, wobei wir Kontakt zu anderen Beratungsstellen vermitteln.

Rossano Artemisio, Abteilungsleiter Produktion Züriwerk
Wenn Partnerbetriebe Züriwerk-Mitarbeitende im Betrieb im Einsatz haben, dann übernehmen wir die Rolle der Mediation: Wir nehmen die Anliegen beider Parteien genau wahr und achten darauf, dass die Rahmenbedingungen bzw. die Vereinbarungen eingehalten werden.

In der Zusammenarbeit mit Embru führen wir regelmässige Gespräche mit Mitarbeitenden und dem Integrationsbeauftragten der Embru-Werke AG. Dabei ist auch ein wichtiges Ziel, die Partizipation der Mitarbeitenden gemäss dem agogischen Konzept der Stiftung Züriwerk weiter zu entwickeln. Der Verlauf und die Gespräche werden dokumentiert.


Welches Engagement seitens der Partnerbetriebe ist nötig?

Hansueli Meister, Leiter Integrationsförderung Embru
Eine enge Zusammenarbeit in einem geschützten Arbeitsfeld und mit einer entsprechenden Betreuung muss gegeben sein. Oft gehen die Themen über den Arbeitsplatz hinaus – so reden wir manchmal auch über Wohnungssuche oder andere private Sorgen der Mitarbeitenden.

Rossano Artemisio, Abteilungsleiter Produktion Züriwerk
Es braucht eine Struktur, um die Vereinbarung umzusetzen: Abläufe, regelmässige Termine – und vor allem: eine Ansprechperson, welche sich jederzeit um die Anliegen der Mitarbeitenden mit Beeinträchtigungen kümmert. Die Entwicklung sollte mit der Etablierung der Arbeitsbeziehung nicht enden, sondern erst beginnen.

Julia Roth, Job Coach Züriwerk
Wir vertreten die Haltung: Jeder Mensch kann bezahlte Arbeit leisten. Deshalb sollte ein Unternehmen bereit sein, einen Leistungslohn zu entrichten. Ein Lohn ist auch eine Wertschätzung, die sich schlussendlich auf die Motivation auszahlt.

Mitarbeitende mit Beeinträchtigungen brauchen oft länger, um sich in einem Betrieb zurechtzufinden und die Arbeitsabläufe zu verinnerlichen. Es braucht im Betrieb die Bereitschaft, diesen Mehraufwand zu leisten. Wenn eine Person eine etwas persönlichere und wertschätzende Beziehung zu neuen Mitarbeitenden pflegt, unterstützt das deren Wohlbefinden und damit die erfolgreiche Integration. Am Anfang in die Einarbeitung zu investieren, zahlt sich langfristig aus.

Welche Stolpersteine/Grenzen gibt es?

Hansueli Meister, Leiter Integrationsförderung Embru
Am Anfang braucht es die Geduld, um ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.
Man kann nicht zu viel gleichzeitig fordern, Veränderungen sollten in kleinen Schritten erfolgen. es kann nicht mit Druck gearbeitet werden, z. B. ein fixes Stückzahl-Ziel funktioniert nicht, man muss eine Mischrechnung machen.

 

Wie sieht ein Arbeitseinsatz bei Embru konkret aus?

Rossano Artemisio, Abteilungsleiter Produktion Züriwerk
Unsere externen Züriwerk-Mitarbeitenden arbeiten in Zweierteams bei Embru-Werke in Rüti in der Produktion des Stuhlklassikers «Altorfer». Sie wickeln Kunststoffschnüre auf Spulen, schneiden sie auf das richtige Mass zu und bespannen die Stühle damit.

Die familiäre Atmosphäre wird geprägt durch Hansueli Meister, Leiter Integrationsförderung Montage, und getragen von der ganzen Abteilung. Hansueli Meister schafft ein wohlwollendes und motivierendes Umfeld, indem er Erfolge aufzeigt, Wertschätzung ausdrückt und bei Problemen aktiv Lösungen sucht.

 

Was müssen Mitarbeitende für die Arbeit bei Embru mitbringen?

Rossano Artemisio, Abteilungsleiter Produktion Züriwerk
Teamfähigkeit ist zentral, da die Arbeit in Zweierteams stattfindet. Handwerkliches Geschick, Kraft und Ausdauer sind wichtig. Und vom Typ her sollte es ein Lerche sein, keine Eule: Der Arbeitsbeginn ist um 5 Uhr morgens.

 

 

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