Landwirtin und Peer-Beraterin
Sie weiss, wo der Schuh drückt!
Stephi Würzer ist nicht nur Landwirtin, sondern arbeitet seit Mai 2023 immer einen Tag pro Woche im Sorgenbüro und übernimmt dort verschiedene Aufgaben: Zum Beispiel als Peer-Beraterin. Erfahren Sie, wen sie berät und was ihre Herausforderungen sind.
Sie weiss, wo der Schuh drückt!
Stephi Würzer arbeitet seit Mai 2023 immer einen Tag pro Woche im Sorgenbüro und übernimmt dort verschiedene Aufgaben. Seit 2023 arbeitet sie als Referentin bei internen Weiterbildungen für Mitarbeitende und Bewohnende. Nun hat sie auch als Peer-Beraterin gestartet. Sie wird von Michael Meier, Berater des Sorgenbüros der Stiftung Züriwerk, in ihren Aufgaben begleitet. Die anderen Tage arbeitet sie in der Landwirtschaft.
Katharina Trost, Leiterin Sorgenbüro hat das Interview mit Stephi Würzer geführt.
Herzlich willkommen, Stephi. Schön, dass du für das Interview Zeit hast. Du arbeitest seit Mai 2023 im Sorgenbüro – nun auch als Peer-Beraterin. Wie viele Beratungen konntest du bereits machen?
Ich habe mit einer Person nun zwei Peer-Beratungen gemacht. Vor Weihnachten eine Beratung und eine jetzt im Januar. Ich kannte die Person schon, bevor sie zu mir in die Beratung kam. Michael hat die Beratung organisiert.
Was gefällt dir an der Beratung?
Es ist eine Herausforderung und auch ein gutes Gefühl. Sie, die in die Beratung kam, hatte ein Problem. Ich habe ihr liebevoll den Kopf gewaschen. Ich hatte ein offenes Ohr und habe mit ihr geredet. Sie ist so weitergekommen. Ich habe ein ernsthaftes Gespräch geführt und ihr auf den Zahn gefühlt. In der letzten Beratung habe ich mich «verhänkt». Dann konnten wir es mit Michaels Hilfe lösen. Er ist bei den Beratungen dabei. Die Person hat gesagt, sie kommt nochmals zur Beratung. Sie hat sich nun noch nicht gemeldet. Aber das wird sie noch.
Kannst du noch sagen, was genau die Herausforderung war?
Es war schwierig, das Problem herauszufiltern, das sie hatte. Sie hat lange darum herumgeredet. Sie wollte zuerst nicht sagen, was das Problem ist. Ich habe dann nicht nur Fragen gestellt, auf die sie mit Ja oder Nein antworten konnte. Ich habe offene Fragen gestellt. Erst dann konnte sie sagen, was das Problem ist. Das war eine Herausforderung.
Was fiel dir in der Beratung leicht?
Es war einfach, das Vertrauen zu gewinnen. Wir kannten uns schon. Wir haben früher zusammen viel «Seich» gemacht. Ich habe es nicht gern fad. Ich finde es «läss», wenn man sich hochnehmen kann. Wenn man auch mal etwas Blödes sagen darf. Ich möchte mit Humor arbeiten. Das machen wir alle so im Team von der Landwirtschaft. Es ist aber in der Beratung anders als in der Landwirtschaft. Dort nehmen wir uns sehr fest auf die Schippe. In der Beratung will ich mich neutral verhalten. Keinen Scheiss und keinen Seich «schnurre». Das ist eine Umstellung für mich. Aber es geht. Ich kann mich zusammenreissen, damit ich ernst bin.
Was hat sich für dich verändert, seit du Kurse gibst und Beratungen machst?
Ich gehe anders in die Landwirtschaft zum Schaffen. Ich komme dort an Konflikte heran und kann mich besser abgrenzen. Ich gehe dann weg von der Situation. Ich versuche es auszublenden oder ich hole den Chef. Ich mische mich nicht ein. Vorher mischte ich mich ein und dann ist es manchmal ganz eskaliert. Ich habe es auch mit den Gedanken nach Hause genommen.
Du hast die Ausbildung zur Peer-Beraterin im Jahr 2017 bei «Mensch zuerst» gemacht. Wie hat dir die Ausbildung gefallen?
Der Kurs hat geholfen. Ich war beim allerersten Kursdurchgang dabei. Vorher gab es diesen Kurs nicht. Sie haben den Kurs danach auch noch angepasst. Im Sorgenbüro habe ich jetzt meine ersten offiziellen Peer-Beratungen gemacht. Der Kurs ist einfach schon etwas lange her.
Ist die Ausbildung wichtig, wenn mal als Peer-Beraterin arbeiten möchte?
Die Ausbildung zur Peer-Beraterin braucht es unbedingt. Man weiss mehr über die verschiedenen Behinderungsformen. Aber es braucht nicht nur das Lernen – sondern auch das Rauskommen zu den Leuten, das braucht es auch.
2023 hast du die Ausbildung «Friedensstifterin am Arbeitsplatz» – auch bei «Mensch zuerst» – gemacht. Wie war diese Ausbildung?
Wir haben viel geübt, aus dem Konflikt zu gehen. Das hat viel geholfen. Es waren im Kurs Personen von verschiedenen Institutionen, die haben Verschiedenes erlebt. Zum Beispiel, dass sie bedroht wurden. Wir haben uns darüber ausgetauscht. Am Schluss haben wir einen Film geschaut, der ist mir richtig rein. Der Film ist von einem Autisten, der von den anderen Kindern richtig geplagt wurde. Sie haben Filme auf Youtube gestellt, in denen er nackt ist. Die Eltern haben geholfen. Der Film war ein Schlüsselerlebnis. Der Kurs hat mir viel geholfen.
Wie soll sich die Peer-Arbeit bei Züriwerk weiterentwickeln?
Ich wünsche mir, dass viele Personen Peer-Beratungen machen können. Die Personen, die das wollen. Für mich sind die Peer-Beraterinnen und -Berater auch Verbindungspersonen zwischen Fachpersonen und Mitarbeitenden. Dort soll es weniger «chlöpfe», weil in einer Peer-Beratung mehr vermittelt wird. Ich möchte grundsätzlich, dass es weniger «chlöpft» auf dem Platz. Nicht nur die Beratung ist wichtig. Zuerst den «Rucksack ausleeren lassen» und dann beraten.
Was kannst du zur Weiterentwicklung beitragen?
Ich habe zu «Mensch zuerst» Kontakt. Ich bin dort im Vorstand. Wir tauschen uns aus, was bei Züriwerk läuft. Ich habe aber keinen Kontakt zu anderen Peer-Beraterinnen ausserhalb von Züriwerk. Bei Züriwerk kenne ich nur Fleta. Sie ist auch Peer-Beraterin. Ich habe mich aber noch nie mit ihr ausgetauscht. Ich weiss nicht, ob ein Austausch wichtig wäre. Vielleicht ist es dafür noch zu früh. Ich möchte zuerst mehr Erfahrungen machen. Mehr Beratungen führen.
Was macht Züriwerk zur Weiterentwicklung?
Es gab bei Züriwerk schon zweimal ein Treffen zu Peer-Beratungen, eine Arbeitsgruppe, da bin ich mit dabei. Gerade gestern haben wir sehr intensiv zusammengearbeitet. Wir haben angefangen zu schauen, was es für die Peer-Beratung braucht und was für die Beratung wichtig ist.
Was wäre dein Wunsch bezüglich Teilhabe von Mitarbeitenden bei Züriwerk?
Mich würde Wunder nehmen, was die Mitarbeitenden und Bewohnenden bei Züriwerk brauchen. Was sie möchten. Ob sie Beratungen wollen. Dann kann man darüber diskutieren.
Was wünschst du dir für deine persönliche Arbeit?
Ich wünsche mir, dass wir Peer-Beraterinnen und -Berater sichtbarer werden. Dass es zum Beispiel eine Telefonnummer gibt, auf die Personen anrufen können und direkt abladen können. Wo sie ihre Sachen loswerden können. In der Landwirtschaft wissen die anderen noch nicht, dass ich eine Peer bin. Man bezeichnet mich als Bürogummi. Sie nehmen mich hoch. Die meisten in der Landwirtschaft haben es nicht so mit dem Computer und dem Schreiben. Es wäre für sie gut zu wissen, dass jemand da ist, der ihnen zuhört. Sie sollen selbst sagen, was es braucht. Es geht nicht, wenn man sagt, ihr müsst in die Beratung kommen! Ein Infoanlass wäre gut und dann können die Leute kommen. Ohne Zwang! Sonst können die Menschen sich nicht öffnen.
Warum braucht es Peer-Beratungen?
Ich bin anders als die Fachpersonen: ruhig, keine belehrende Form, kein «Sozi». Ich bin übermütig. Nicht nach Gesetz. Ich sehe es lockerer als die Fachpersonen. Vielleicht verstehe ich sie besser. Ich finde es gut, dass ich in der Landwirtschaft arbeite und dass ich Peer-Beraterin sein kann. So bekomme ich mit, wo der Schuh drückt. Ich bin näher an den Konflikten.
Wie arbeitest du mit Michael zusammen?
Ich habe viel von Michael gelernt. Ich habe gelernt, dass ich mich abgrenzen kann. Dass ich es dalasse. Mit freiem Kopf nach Hause zu meinen Hobbys gehe. Michael hat mir gezeigt, dass ich die Menschen nicht verurteilen soll, wenn ich sie im Moment nicht verstehe. Ich habe gelernt, die Menschen anders zu sehen. Zum Beispiel sag ich mir heute: «Er ist nicht doof – er funktioniert einfach anders als wir.» Neben den Peer-Beratungen hast du als Referentin bei Kursen für Mitarbeitende bei Züriwerk begonnen.
Was sind das für Kurse?
Letztes Jahr habe ich mit drei Kursen begonnen: «Nähe und Distanz», «Stress und Druck im Alltag» und «Umgang mit Gewalt». Die Kurse gebe ich mit Michael und Silvia. Und ich mache mit einer Fachperson das Abstimmungscafé. Ich würde es gern in «Politcafé» umbenennen. Es kommt fast niemand, das ist schade und ich weiss nicht warum. In diesem Jahr gebe ich die gleichen Kurse. Nächstes Jahr würde ich gern noch «Rechte und Pflichten» reinnehmen. Wo man zum Beispiel lernt, wann man dem Chef widersprechen darf und wann nicht.
Was gefällt dir am Job als Referentin?
Der Job gefällt mir gut. Wir konnten den Leuten etwas mitgeben. Es blieb auch etwas hängen. Das habe ich in der Landwirtschaft gemerkt. Man hat mich darauf angesprochen. Es ist aber auch schwierig: Wie können wir es gut vermitteln, dass es eins zu eins rüberkommt? Michael hat viel geholfen und wir haben es zusammen vorbereitet. Die Themen waren vorgegeben.
Was ist wichtig, wenn man selbst Kurse geben möchte?
Man muss interessiert sein. Man muss sich selbst einbringen. Man muss sich mit dem Kursthema auseinandersetzen.
Gibt es einen Lieblingskurs von dir und warum?
Ich habe alle Kurse gern und finde alle wichtig. «Nähe und Distanz» finde ich besonders wichtig.
Was ist dir abschliessend wichtig für deine Arbeit als Peer-Beraterin?
Für die Zukunft als Peer-Beraterin ist mir wichtig zu schauen, wie mich die Leute erreichen können. Wir Peer-Beraterinnen müssen sichtbarer werden!